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Schönes Wetter beim Yukon Arctic Ultra

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Bericht von Yukon Arctic Ultra Teilnehmer Tom Wolter -Roessler vom 515 km langen Lauf am 14. - 22.2.2005

Website des Veranstalters:

www.arcticultra.de

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Bericht von Yukon Arctic Ultra Teilnehmer Tom Wolter-Roessler

320M (515km) 14.-22.2.2005 Whitehorse, Kanada

Der Start

Es ist Sonntag, der 20. Februar 2005, 15h. Wir sind irgendwo in der kanadischen Wildnis des Yukon Territory. Als einziges Zeichen der Zivilisation hört man ca. 3km entfernt den Klondike Highway, ansonsten gibt es hier nichts außer Wald, Flüssen, Seen und Bergen. Heute ist es ziemlich warm (-8°C), und ich komme fast ins Schwitzen, als ich - zum letzten Mal - meinen Schlafsack in den Packsack stopfe. Murray, der Ski-doo-Fahrer, hängt gerade meine Pulka an seinen Motorschlitten. Für ihn ist das nichts wirklich Neues, ich bin nicht der erste Läufer des Yukon Arctic Ultra 2005 (YAU), der es nicht bis zum nächsten Checkpoint schafft. Doch für mich ist dieser Moment mehr als bedeutend, schließlich ist das mein erstes "DNF" (did not finish), also mein erster Lauf von den 7 Marathons und 26 Ultras meiner Karriere, bei dem ich nicht innerhalb des Zeitlimits bis ins Ziel komme.

Jeder Teilnehmer muss eine Notausrüstung und Verpflegung mit sich führen. Diese zieht man an einem Schlitten hinterher

Dennoch - auch im Nachhinein - ist die Entscheidung richtig, denn ich bin völlig leer und kann mich selbst und meine Pulka kaum mehr die kleinen steilen Anstiege des Trails hochziehen. Das Essen geht mir aus, das Zeitlimit rückt mir immer weiter auf die Pelle (für die verbleibenden 145km der 515km-Strecke hätte ich noch rd. 48h Zeit) und eine entzündete Blase an der Ferse, die bei jedem Schritt bergab höllisch schmerzt tut ihr übriges dazu. Weder durch Schlaf noch durch Riesenportionen Nudeln konnte ich mich in der vergangenen Nacht "wieder aufladen" und da ich mir geschworen habe, bei diesem Lauf nicht zu leiden ziehe ich die Konsequenz und beende die Sache. Fazit: 370km in 6 Tagen durch eine fantastische Landschaft und - obwohl die meiste Zeit alleine unterwegs - ein fantastisches Gruppenerlebnis.

Eisige Temperaturen

Pause

Zwar mussten neben mir leider noch weitere 8 Athleten der 320M-Strecke (darunter 2 Skilangläufer) aufgeben, dennoch war die Stimmung meist hervorragend und äußerst familiär. Das haben wir in erster Linie der hervorragenden Organisation des Laufes durch den Münchner Robert Pollhammer zu verdanken, der übrigens auch den Jungle-Marathon im brasilianischen Regenwald organisiert. So gab es als Siegerprämie für den Italiener Stefano Miglietti, der die 515km in 6 Tagen und 2,5h bewältigte auch einen freien Startplatz bei diesem "feucht-fröhlichen" Event. Ob er sich im Moment seines Erfolges darüber gefreut hat, darf bezweifelt werden: Nur sechs Stunden Schlaf in den sechs Tagen und zwei massiv entzündete Sprunggelenke zeichneten den Finisher der 350M des Iditarod Trail (Alaska) deutlich.

Neben dem arktis-erfahrenen Italiener waren noch weitere Sportler mit rekordverdächtigen Referenzen an Bord: Z.B. der deutsche Michael Odenwald, der bereits einen Dreifach-Ironman hinter sich hat, genauso wie Joachim Rintsch, der außerdem bereits im letzten Jahr die 300M des YAU finishen konnte. Andy Heading aus England, der schon zweimal die 1.100M (1.800km!!) des Iditarod mit dem Mountainbike bewältigt hat und nun "mal sehen wollte, wie weit er zu Fuß kommt". Der Schweizer Milan Milanovich konnte bereits so namhafte Rennen wie den Run across America (5.000km) und Badwater Ultra (135M bei ca. 50°C - diesmal "+"!!) finishen. Die Briten William Gow und Henry Worsley bereiteten sich mit diesem Lauf auf eine Grönland-Durchquerung auf einer neuen Route vor. In dieser Gesellschaft fühlt man sich wohl und gut verstanden! Da bleibt einem die berühmte Frage "Aber sonst geht's noch!?" erspart...

Kurz ein paar Infos zum Lauf: Der YAU ist ein Lauf über 42,2km, 100M (161km) oder 320M (515km). Die Strecke folgt in weiten Teilen dem Yukon Quest, einem der längsten und härtesten Hundeschlittenrennen weltweit. Es führt die "Musher" mit ihren Huskies über 1.000M und einige heftige Anstiege nach Fairbanks, Alaska. Ein Großteil der Strecke führt auf dem gefrorenen Yukon River, es geht aber auch durch sehr hügeliges Gelände und über Seen. Alternativ zum "normalen" Laufen sind noch die Disziplinen Skilanglauf und Mountainbike (ebenfalls über die drei Strecken) im Angebot.

So schön ist das Wetter nicht immer

Die größte Herausforderung des Rennens ist neben den Distanzen aber - wen wundert's - die Kälte. -40°C können es schnell werden und dementsprechend muss die Ausrüstung auch gewählt werden. Zwischen den Checkpoints gibt es weder Versorgungsstellen noch Siedlungen (in dieser Gegend allgemein eher eine Seltenheit, schließlich verteilen sich im Yukon Teritory ca. 30.000 Einwohner auf eine Fläche, die größer ist als Deutschland!) und so müssen die Läufer für alle Situationen gewappnet sein. Ein Biwak in der freien Natur bei 40° Kälte erfordert einiges an Ausrüstung; diese wird in einem Schlitten (Pulka, Toboggan) hinter einem hergezogen. Das hat den netten Vorteil, dass man sich den Rucksack sparen kann und sich das Gewicht bei dünnerem Eis besser verteilt. Trotz der arktischen Kälte gibt es nämlich immer wieder Schwachstellen im Eis und ein Einbrechen kann fatale Folgen haben.

Genauso schlimm wie Nässe von Außen wirkt sich aber die Feuchtigkeit aus, die von Innen kommt, sprich der Schweiß. Ein durchnässtes Kleidungsstück oder (noch schlimmer) ein Schlafsack werden bei solchen Temperaturen definitiv nicht wieder trocken und verlieren massiv an Isolation. Daher besteht für die Läufer die erste Aufgabe darin, Schwitzen zu vermeiden. So komisch es klingen mag, aber man muss wohl frieren, wenn man dieses Vorhaben meistern will.

Neben erstklassigem Equipment für diese Verhältnisse zählt auch eine sinnvolle und reichhaltige Ernährung zur Pflichtausrüstung. Die diversen Snacks sollten sich auch in gefrorenem Zustand noch beißen lassen und wie immer steht das Thema Trinken an erster Stelle, denn wer dehydriert friert leichter. Neben Kohlehydranten ist aber Fett ein wesentlicher Betsandteil der "Kanada-Diät", und das ist mir leider erst zu spät bewusst geworden. Andy, der ja bereits einige Tage in Alaska hinter sich hat empfahl mir (nach dem Rennen!) "almost only fat and no carbs", also Nüsse, Käse, Fisch und Schokolade und nicht tonnenweise Riegel, wie ich sie dabei hatte. Aber man lernt ja dazu...

Winterlich Impressionen auf der Strecke bei McCabe

Am Morgen des 14. Februar war es dann so weit: Um 10:33h hieß es "Go, go, go!" und das illustre Starterfeld setzte sich in Bewegung. Mit -18°C war es schon mal schön "chilly" und ich war deutlich zu kühl angezogen. Denn der Distanz entsprechend war nicht etwa Laufen, sondern schnelles Gehen angesagt und da war meine Laufhose dann doch etwas zu dünn. Erst auf dem gefrorenen Yukon River, dann etwas später auf dem Takhini River ging es bei stahlblauem Himmel schön flach und auf einem hervorragenden Trail gut vorwärts. Das Ziehen der Pulka hatte ich vorher noch nicht wirklich intensiv geübt und war daher angenehm überrascht, dass es mir recht leicht fiel. Überhaupt war ich mit meiner Eigenkonstruktion aus Kinderbob (€12), selbst gebasteltem Zuggestell (€18) und Hüftgurt (€55) sehr zufrieden; vor allem, wenn man bedenkt, dass eine Pulka aus dem Laden gut und gerne €500 kosten kann und ich mir durch den Kauf von Gestell und Bob in Kanada sämtliche Sperrgepäckzuschläge der Lufthansa erspart habe!

Nach 6,5h und 42km war dann der erste (und kürzeste) Abschnitt auch schon geschafft und wir konnten es uns am Lagerfeuer des ersten Checkpoints auf Ingrid und Rolfs North Country Ranch gemütlich machen. Das deutsche Ehepaar hat es in die kanadische Wildnis verschlagen und es bietet mit seiner Ranch nun allen Kanadafans die ideale Ausgangsbasis für sommerliche wie winterliche Touren zu Pferd, Kanu oder Fuß. Einmal im Jahr räumt Rolf seine Garage, um einer Handvoll verrückter Läufer, Skilangläufer und Biker einen warmes Heim für 4h zu bieten. So lange ist hier nämlich Pflichtaufenthalt für alle und während dieser Zeit werden Schlafsack und Kocher durch die Organisatoren geprüft. Nur wer entsprechend ausgestattet ist, darf auch weiter. Nur die Marathonis dürfen auf das Equipment verzichten; sie haben hier bereits das Ziel erreicht!

Um 21:10h ging's dann gestärkt weiter in die erste Nacht. Ich war gut drauf und hatte mir vorgenommen, die erste Nacht durchzulaufen. Es ging noch ein ganzes Stück auf dem Takhini River dahin. Das Feld war noch recht eng zusammen und so traf ich recht bald auf Andy, der zwar gemütlich aber sehr konstant unterwegs war. Mittlerweile war es doch kalt geworden (ca. -22°C) und ich wollte eigentlich nur meine Überhandschuhe aus der Tasche holen, als es passierte: Trotz gut eingefettetem Reißverschluss der wasserdichten Packtasche genügte ein kurzes Ziehen und der Schlitten des Reißverschlusses brach auseinander! Da waren also gerade mal 10% der Gesamtdistanz vorbei und ich lief mit sperrangelweit offener Tasche durch die Gegend. Etwas zu verlieren (Handschuhe, Kocher!) hätte fatale Folgen haben können und so schnürte ich die Tasche recht und schlecht zu. Als es später stark zu schneien begann, legte ich noch meine Gore Tex-Hose über die Öffnung und kam so ganz gut klar.

23h nach dem Start hatte ich dann schon 101km geschafft und um 9:30h den Checkpoint am Dog Grave Lake erreicht. Die letzten 5km vor dem Checkpoint, die durch ein Schild signalisiert wurden zogen sich zwar so zäh wie -35°C kalter Kaugummi und alle waren sich einig, dass es mind. 5M gewesen sein müssten, aber eigentlich war es ja auch egal. 515km waren es bis zum Ziel und das war (zu diesem Zeitpunkt noch) das Einzige, was mich interessierte. Der Checkpoint lag recht abgelegen und war nur mit dem Ski-doo zu erreichen. Dennoch war er perfekt organisiert (es gab ein Essens- und ein Schlafzelt, beide angenehm "klimatisiert") und Mike und Jessica Simon betreuten die Athleten liebevoll. Ich freue mich jetzt schon wieder auf die Cookies, die es dort gab. Mike, Du weißt Bescheid! Mike ist Deutscher und hat vor einigen Jahren ein Outdoorunternehmen im Yukon gegründet. Wer also die kanadische Wildnis auf geführten Wander-, Kanu- oder Skitouren erleben will, kann sich auf seiner Homepage informieren: www.yukonabenteuer.de

Tom am Dog Gravel Lake

Endloser winterlicher Trail in einer Wintermärchenlandschaft

Nachdem ich gut gegessen, geschlafen und meine mittlerweile anschauliche Wasserblasensammlung versorgt hatte, ging es gegen 14h weiter. Die folgenden 58km nach Braeburn, dem Ziel für die 100M-Läufer, wollte ich so schnell wie möglich erledigen. Das ging auch halbwegs gut, nur der Schlaf holte mich ab und zu ein. So auch gegen 22h, als ich noch eine Fleecehose überziehen wollte und dabei tatsächlich auf meinem Schlitten einschlief! Mich hat es vielleicht gerissen, als ich wieder aufwachte und Don mit seinem knatternden Ski-doo vor mir stand! Aber seine aufmunternden Worte motivierten mich und gegen 1:30h, also nach genau 39h, war ich in Braeburn und konnte am dortigen Truckstop, der zugleich unser Checkpoint war, einen gigantischen Burger genießen. Danach war ich so voll und müde, dass ich mich entschloss, mich etwas hinzulegen. Stefano war gerade wieder aufgestanden ich nahm gleich sein Bett in Beschlag. Aus den geplanten vier Stunden wurden dann acht und erst gegen 12h mittags verließ ich bei strahlendem Sonnenschein den Checkpoint.

Vor mir lag eine Landschaft wie aus dem Bilderbuch und so war es verständlich, dass auch die Engländerin Katherine Hay-Heddle wieder ins Rennen einstieg. Sie musste leider aufgrund von Magenproblemen vor Braeburn aufgeben und einen Teil der Strecke mit dm Ski-doo zurücklegen. Doch in Braeburn ging es ihr wieder besser und so beschloss sie, weiter zu machen und das Abenteuer zu genießen. Da hat die junge Engländerin, die bereits mehrfach am Marathon des Sables (Marokko) sowie an weiteren Abenteuerrennen teilgenommen hat, echten Sportsgeist bewiesen! Ich denke mal, da könnte sich so mancher Mann eine Scheibe davon abschneiden...

Der nächste Abschnitt war lang, aber doch recht schnell: Zum Großteil ging es über die Chain-Lakes, eine Kette aus Seen und wie das Bild oben zeigt, kann man hier richtig Gas geben, denn es geht sehr flach und auf mehr oder weniger festem Untergrund fast nur gerade aus. Leider musste ich gegen 19h, als es schon recht dunkel war eine unfreiwillige Rast von 30min einlegen, weil ich meine Stirnlampe nicht fand! Nach mehrfachem Durchwühlen der Tasche war dann doch Ausräumen angesagt und ich hielt die Lampe in den Händen. Solche Kleinigkeiten übt man zu Hause wirklich nicht und doch können sie viel Zeit und Nerven kosten.

Leider wollte der 5km-Marker, der den Checkpoint am Ken Lake ankündigte einfach nicht auftauchen und nachdem mich auch meine Sinne schön langsam verließen (ich war sicher, das Checkpoint-Lagerfeuer direkt vor mir zu sehen; nachdem ich ein paar km auf dem See zurückgelegt und eine Halbinsel umrundet hatte, musste ich dann leider erkennen, dass es der Mond hinter leichten Wolken war, der da so gelb leuchtete!) biwakierte ich dann doch noch und hatte erst am 17.2. gegen 15:15h 230km hinter mir.

Am Ken Lake war ich dann dafür so gut drauf, dass Shelley und ihr Mann David fast etwas irritiert schienen. Nach 2 Tellern Suppe mit 4 Bockwürsten und 3 Semmeln sowie zwei Tassen heißer Schokolade mit viel Zucker verließ ich deshalb die Hütte am See auch schon wieder und machte mich auf in Richtung Carmacks, einem für mich wichtigen Punkt. Bis hierher wollte ich "durchziehen" und dann meine weitere Strategie überdenken. Schließlich hatte ich bisher max. 213km (48h-Lauf Köln 2004) am Stück zurückgelegt. Gesagt, getan: Nach gut einer Stand war ich wieder auf dem See und voller Schwung für die nächste Etappe von 70km - dachte ich! Nach einem weiteren langen See (Mandanna Lake) ging es durch einen mustergültigen Zauberwald recht flott zurück Richtung Yukon River. Irgendwann waren noch mal ein paar Stunden Biwak angesagt und bald war ich wieder auf dem Fluss.

Die Brücke von Carmacks war schon in Sichtweite, da kam mir ein Läufer entgegen: Es war der Österreicher Klaus, der die 100M erfolgreich bewältigt hatte und nun mit der Organisationscrew das Feld begleitete. Auf meine Nachfrage, wie es ihm gehe leuchteten seine Augen und ich werde so schnell nicht vergessen, wie er förmlich schwor: "Nächstes Jahr mache ich die 300!". Kurz nach diesem Treffen hatte ich Carmacks erreicht und staunte nicht schlecht, als Robert mir "beichtete": "Sorry, aber in den Karten war ein Zahlendreher und Du hast gerade nicht 69km, sondern nur 55km gemacht! Die 69km-Etape kommt jetzt erst noch." Ich weiß nicht, ob ich immer noch oder schon wieder so entspannt war, dass mir auch das irgendwie nichts ausmachte. Auch hier hielt ich mich nur relativ kurz auf (vielleicht war auch das ein Fehler; vielleicht hätte ich die warmen, trockenen Checkpoints besser für meine Erholung nutzen sollen) und nach gut 3,5h war ich schon wieder unterwegs.

Tatsächlich ging es mir während dieser ganzen Zeit sehr, sehr gut: Die Blasen waren nach dem Schuhwechsel in Braeburn fast ausgetrocknet, sodass sie fast nicht mehr wehtaten. Die Kälte (zwischendurch sollen es schon mal -30°C gewesen sein) machte mir seltsamer Weise nichts aus und obwohl ich die ca. 40 Tracks meines MP3-Players nun schon fast auswendig konnte, schöpfte ich immer noch Energie aus der Musik von Alice in Chains, Keane, Billy Sheehan, Henry Rollins und vielen anderen. Das war auch mein eigentliches Ziel: Immer ein Lächeln auf den Lippen zu haben. Denn sicherlich Hätte ich auch "die Peitsche auspacken" und mich selbst über die Strecke prügeln können, aber dafür war ich nicht hier. Ich bin mir sicher, dass der Mensch solche Leistungen (wenn er sie freiwillig erbringt und nicht durch Krieg, Hunger oder Ähnliches dazu gezwungen wird) mit eben diesem Lächeln erbringen kann. Und Beispiele wie Andy Heading oder Pearse Allen bestätigten diese Einstellung und das Zitat von Al Bogenhuber: "In ultrarunning, the pain is inevitable, but the suffering is optional."

Frisch geduscht, mit vollem Magen und mit frisch bestücktem Lunchpaket ging es noch ein kurzes Stück auf dem Yukon, dann durch so eine Art Wohngegend auf eine alte Bergbaustraße und ich konnte nochmals richtig Gas geben. Fünf Stunden lang war ich richtig schnell unterwegs und konnte sogar Will überholen, der sich am Straßenrand sein Nachtquartier eingerichtet hatte. Ich weiß nicht, ob es am nahenden Vollmond lag oder an der Zeitverschiebung, jedenfalls war ich auffallend oft nachts unterwegs. Ich genoss die Stille und das fast meditative Gehen intensiv und habe so wohl auch viel mentale Kraft schöpfen können. Zwar sollte man stoffwechselbedingt lieber seinen Biorhythmus beibehalten, aber irgendetwas hielt mich bis morgens gegen 4h, 5h auf den Beinen und trieb mich dann in den Schlafsack.

Was folgte war wohl ein Mobilisieren letzter Reserven: Die zweite 69km-Etappe nach McCabe konnte ich mit 22h sage und schreibe 5h schneller bewältigen als die erste zwischen Braeburn und Ken Lake. Zwar zogen sich hier die letzten 5km wieder etwas und leider war das Wetter gekippt, sodass man jetzt durch eine eher kontrastlose, graue Landschaft lief. Aber irgendwie war ja das Ziel doch greifbar geworden und mit 352km hatte ich bereits über 200M im Sack. Dann ging jedoch alles recht schnell: Im Nachhinein betrachtet war es schon seltsam, dass ich es schaffte, mich in McCabe innerhalb von 5min über den ganzen Checkpoint (eine tierisch aufgeheizte Werkstatt) zu verteilen: Da der Schlafsack, dort die Handschuhe; hier die Stirnlampe und dort der Trinkrucksack; eigentlich hab ich meine Sachen gerne gut sortiert und griffbereit auf einem Fleck, aber diese Eigenschaft hatte hier wohl schon eingebüßt. Nach einigen minder erfolgreichen Schlafversuchen (mittlerweile waren auch drei Engländer, die bereits aus dem Rennen waren eingetroffen und machten sich mit ein

paar Bierchen einen lustigen Abend) brauchte ich entsprechend lange, um startklar zu werden. Nach knapp drei Stunden war ich dann wieder unterwegs und verließ emotional geladen und unzufrieden den Checkpoint.

Die ersten fünf Meilen entlang des Klondike Highway gingen noch irgendwie vorbei, doch dann war es recht schnell aus. Ich machte eine Pause und aß etwas, doch so richtig wollte ich nicht in Schwung kommen. Ich beschloss, dass ich in der letzten Zeit zu wenig geschlafen hatte und legte mich hin. Erst am Morgen gegen 9h wachte ich wieder auf; Joachim und Pearse hatten mich gerade überholt und ich versprach Pearse, mich zu beeilen und zu den beiden aufzuschließen. Doch trotz heißem Tee aus der Thermoskanne und einem weiteren Energieriegel kam einfach keine Kraft in meine Beine, ich schleppte mich etwas weiter und schon nach ca. 2km war wieder Sense. Ich brauchte dringend etwas zu essen, und obwohl mir klar war, dass ich nicht genug dabei hatte, um mir alle zwei Stunden einen Nudeltopf zu machen, begann ich zu kochen. Irgendwie wollte ich nach Pelly Crossing kommen; dort gab es Essen und noch ein drop bag, sodass ich wieder "auftanken" konnte. Diane und Don kamen auf dem Motorschlitten vorbei und vollmundig versprach ich, in jedem Fall bis Pelly Crossing weiter zu machen. Die beiden machten sich auf den Weg und ich packte zuversichtlich zusammen. Doch auch diese Pause hatte quasi keinen Effekt. Mit wackligen Beinen und einem Loch im Bauch versuchte ich, meine Pulka die steilen Rampen im Wald hoch zu ziehen, was mir immer weniger gelang. Teilweise blieb ich an den nur wenige Meter langen Hügeln hängen und rutschte fast rückwärts wieder runter. Der Akku war definitiv leer. Aber auch das Bergablaufen machte keinen Spaß, da sich an meiner Ferse eine Blase entzündet hatte.

So resignierte ich schließlich, platzierte meine Pulka auffällig neben dem Trail und packte mich in meinen Schlafsack. Schon bald kam Murray vorbei und ich bat ihn, mich auf seinem Schlitten mitzunehmen. Als wir kurz nach dem "Ort des Geschehens" wieder auf einen See kamen und sogar die Sonne sich wieder zeigte war ich schon etwas sauer, aber bald ging es wieder in den Wald und der Trail wurde hügelig und schwierig. Bald hatten wir Joachim und Pearse eingeholt und die Reaktion des sympathischen Iren trieb mir fast die Tränen in die Augen: Selbst am Ende seiner Kräfte schaute er mich an und meinte: "Don't worry, it's okay. It's sad, but don't worry!" Wir wünschten den beiden alles Gute und düsten weiter. Dass das, was mich die letzten Monate fesselte und was ich in den letzten sechs Tagen so intensiv gelebt hatte nun vorbei sein sollte war mich nicht so ganz klar. Ich genoss die Fahrt und freute mich auf den Checkpoint. Dort angekommen löste sich die Spannung in einem Schwall Tränen: Don, der nicht mitbekommen hatte, dass ich nicht zu Fuß hergekommen war, begrüßte mich stürmisch (die Jungs sind echte Motivationskanonen!) und gratulierte mir, dass ich die beiden anderen überholt hatte. Murray erklärte ihm die Situation und ich zog mich erst mal zurück. Auch Robert wusste noch nichts von meinem Ausstieg und fragte, ob sich jemand meine Ankunftszeit notiert hatte. Ich erklärte ihm, dass ich raus war und etwas verdutzt schaute er mich an. Ich musste wirklich einen fitten Eindruck gemacht haben; aber wie gesagt, meist ging es mir auch gut und das Ende kam recht plötzlich.

So bleibt mir am Ende meines Berichts nur, mich bei allen zu bedanken, die dieses Abenteuer und diesen Erfolg möglich gemacht haben: Meiner Familie, meinen Freunden, Kolleginnen und Kollegen für ihre aufmunternden Worte und Mails. Robert, dem Veranstalter und all seinen Helferinnen und Helfern für die rundum gelungene Organisation und schließlich den Athleten, die sich wahrhaft sportlich benommen haben und mit denen ich eine fantastische Zeit in einer fantastischen Gegend verbringen konnte. Ein besonderes

Dankeschön geht an Angela Ngamkam, die mir mit ihren Tipps und Hinweisen viel Nervosität genommen hat und die als YAU-erfahrene Sportlerin ihren Segen zu meiner Teilnahme gegeben hat. Wir sehen uns nächstes Jahr in Whitehorse, Angie!!

Allen Läufern kann ich die Teilnahme am YAU nur dringendst ans Herz legen. Natürlich "läuft's" im Yukon Territory etwas anders als auf der Schwäbischen Alb oder im Thüringer Wald, aber laufen wir nicht deshalb, um - egal, ob physisch oder psychisch - dorthin zu kommen, wo wir noch nicht waren? Ich freue mich auf jeden Fall jetzt (nach nur einer Woche) schon wieder auf's nächste Jahr und wenn Robert die 500M anbietet werde ich bei der Anmeldung nicht lange überlegen ...

Website des Veranstalters: www.arcticultra.de
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